Morgen ist es immer anders als heute. Die Erde hat schon oft große Klimaveränderungen durchlaufen, sagen Skeptiker des Klimawandels und meinen: Was uns bevorsteht, wird nicht so schlimm. War schon immer so. Doch gerade der Blick zurück verdeutlicht, was wirklich kommt. Klimahistoriker zeigen, wie massiv sich in der Vergangenheit das Leben der Menschen veränderte, wenn es nur ein Grad kälter oder wärmer wurde. Die Forscher Zhang und Lee von der Universität Hongkong etwa fanden heraus, dass alle großen Dynastiewechsel in China stattfanden, wenn Kältephasen ihren Tiefpunkt erreichten.
Für uns geht es nicht um Kälte, sondern um Hitze. Übermorgen, etwa in 40 Jahren, wird es mindestens zwei Grad wärmer sein, prophezeien Naturwissenschaftler. Wir diskutieren in diesem Heft, wie Kulturen und Gesellschaften jetzt beginnen, sich mit dem Klima zu verändern. Bereits heute sind Menschen zu enormen Umstellungen gezwungen: Inuit, die nicht mehr jagen, Tuareg, die sesshaft werden, oder Andenhirten, die wissen, dass ihre Dorfkultur untergeht. Sie mussten den Bruch mit der Natur, wie sie sie kannten, bereits akzeptieren.
Am größten Teil der Weltbevölkerung geht dies noch vorbei, im Süden der Erde oft aus Unwissenheit, im Norden aufgrund von Verhaltensmustern, die der kanadische Soziologe Sheldon Ungar „knowledge-ignorance paradox“ nennt: die Weigerung, Unangenehmes wirklich wahrzunehmen. Zu begreifen, wie uns Klimawandel – gestern, heute und morgen – verändert, darum geht es in dieser Ausgabe. Die Umwälzungen in der Natur sind beängstigend. Gleichzeitig gibt es viele gute neue Ideen, wie wir den Wandel bewältigen können. Vor allem müssen wir die Augen aufmachen.