Da waren wir also auf dem großen Platz – eine Atmosphäre wie auf staubigen Messen, mit Menschengewimmel und sengender Sonne. Eine Menge feldgrauer Soldaten, deutsche Wagen, Hunderte von Lastwagen und Autos von Flüchtlingen. Alle Cafés mit Deutschen überfüllt. Es war deprimierend, sie so gepflegt, höflich, strahlend zu sehen, während Frankreich durch diese Elendshorde repräsentiert wurde. [...] Die Deutschen kamen und gingen, grüßten hackenknallend, tranken und lachten. Sie befleißigten sich größter Höflichkeit. Mir fiel irgend etwas zu Boden, und einer von ihnen stürzte herbei, um es aufzuheben. [...]
Endlich hielt ein deutscher Lastwagen, zwei Frauen stürzten hin, und ich mit ihnen. Ich kletterte hinter ihnen über die Planke. [...] Es wurde haltgemacht, ich legte mich an der Böschung hin, während die anderen ihren Imbiss verzehrten. Ein Deutscher fasste mich an der Schulter und fragte mich, ob ich etwas essen wolle. Ich habe nein gesagt. Wenig später hat er mich höflich aufgeweckt. Eine alte Frau sagte, seit zehn Tagen traktierten die Lastwagenfahrer sie mit Zigaretten, mit Nahrung, mit Champagner. Sie waren wirklich nett sie schienen nicht auf Befehl zu handeln, sondern aus spontaner Hilfsbereitschaft.[...]
Als das Auto vor einer Brücke anhält, wirft uns ein deutscher Soldat von einem Lastwagen eine Packung Schokolade zu. Andere plaudern am Straßenrand vergnügt mit hübschen Mädchen. Und der Mann [ein französischer Begleiter] sagt zu mir: „Werden allerhand kleine Deutsche basteln!“ Ich habe diesen Satz zehnmal gehört und nie enthielt er einen Tadel: „Ja, die Natur“, sagte der Mann, „dazu braucht man nicht die gleiche Sprache zu sprechen.“
Simone de Beauvoir wurde 1908 in Paris geboren. Simone de Beauvoir wurde 1908 in Paris geboren. Die Auszüge sind dem zweiten Band ihrer Memoiren „In den besten Jahren“ (Deutsche Übersetzung von Rolf Soellner, Rowohlt Verlag, Hamburg 1961) entnommen. Abdruck mit freundlicher Genehmigung des Verlags.