Wüstenbildung | Rumänien

„Wir verlieren jedes Jahr fruchtbares Land“

Warum breiten sich Wüsten weltweit aus? Ein Gespräch mit der rumänischen Meteorologin Roxana Bojariu

Frau Bojariu, was bedeutet Desertifikation?

Ein Landstrich gilt als desertifiziert, wenn der Boden zerstört ist und er seine normalen Funktionen nicht mehr erfüllen kann. Auf einem solchen Boden wächst nichts, er speichert kaum Kohlenstoff, und er kann sich auch nicht mehr von selbst regenerieren, um wieder fruchtbar zu werden. Er versteppt und wird zu Wüste.

Laut UN-Angaben sind weltweit 120.000 Quadratkilometer pro Jahr davon betroffen. Woran liegt das? 

Die Desertifikation ist ein sehr komplexes Phänomen. Einen großen Anteil hat allerdings der Mensch. Zum einen indirekt durch den menschen-gemachten Klimawandel, und zum anderen durch Eingriffe in die Natur: etwa indem Böden durch Monokulturen und übermäßigen Pestizideinsatz ausgelaugt, Felder überweidet, Wälder abgeholzt und natürliche Wasserressourcen zu stark ausgebeutet werden.

In den meisten Fällen kommt mehreres zusammen: Die Temperaturen steigen, die Niederschlagsmenge verändert sich, es gibt mehr Dürretage, die Gefahr für Waldbrände erhöht sich, und schattenspendende Bäume werden abgeholzt. Gleichzeitig wird der Boden auf wenig nachhaltige Weise bewirtschaftet.

Welche Regionen sind davon besonders betroffen?

Global betrachtet sind die ariden und semiariden Regionen der Wendekreise stark betroffen. Aber auch in Europa und Nordamerika breiten sich wüstenähnliche Gebiete immer weiter aus – insbesondere dort, wo eine intensive landwirtschaftliche Nutzung und ein trockeneres Klima zusammenkommen.

In Südwesteuropa, in Griechenland und in Zypern sind bereits ganze Landstriche verwüstet, genauso wie in Bulgarien und hier in Rumänien. Rumänien ist auch ein gutes Beispiel für den menschlichen Einfluss auf die Wüstenbildung. 

Inwiefern?

Rumänien hat ein gemäßigtes kontinentales Klima. In weiten Teilen hat das Land hervorragende, fruchtbare Böden. Trotzdem gehört Rumänien heute zu den europäischen Ländern mit den am schnellsten wachsenden Wüstengebieten. Jedes Jahr gehen tausend Hektar fruchtbares Land verloren.

Unsere Prognosen bei der Nationalen Meteorologischen Verwaltung Rumäniens besagen, dass im schlimmsten Fall rund dreißig Prozent des gesamten Landes und vierzig Prozent der landwirtschaftlichen Flächen zu Wüste werden, wenn nicht aktiver dagegen vorgegangen wird. In Rumänien ist die Durchschnittstemperatur seit Anfang des 20. Jahrhunderts bereits um 1,1 Grad gestiegen.

Doch allein deshalb dürften sich die Wüstengebiete nicht so stark ausbreiten. Aber jahrzehntelange Misswirtschaft hat zur Wüstenbildung beigetragen. Während der kommunistischen Planwirtschaft unter Nicolae Ceaușescu wurden 26  Prozent der Gewässer Rumäniens trockengelegt und in Nutzflächen umgewandelt, obwohl der Boden dafür nicht geeignet war.

Auch nach der rumänischen Revolution im Jahr 1989 wurde die Abholzung weiter vorangetrieben. In Verbindung mit den steigenden Temperaturen hat das unter anderem dazu geführt, dass die Region Südoltenien heute die „rumänische Sahara“ genannt wird.

Wie lässt sich diese Entwicklung aufhalten?

Es reicht nicht aus, ein paar Bäume zu pflanzen oder stärker zu bewässern. Die gesamte Bewirtschaftung muss nachhaltig werden. In Rumänien pflanzen wir beispielsweise Baumgürtel aus Akazien, sogenannte „grüne Barrieren“. Sie sorgen dafür, dass Regenwasser länger im Boden gehalten werden kann und der Wind nicht noch das letzte bisschen Boden davonträgt.

Feuchtgebiete entlang der Donau, die man zur agrarischen Nutzung vor Jahrzehnten trockengelegt hat, werden nun renaturiert. Sie wirken wie Pufferzonen und reduzieren die Auswirkungen von Dürren und Überschwemmungen. Methoden der Agroforstwirtschaft erweisen sich ebenfalls als hilfreich.

Dabei werden Büsche gepflanzt, die kleineren Nutzpflanzen Schatten bieten. Ein solcher gemischter Anbau ist ökologisch viel vorteilhafter als eine Monokultur. Gleichzeitig muss sich die Bevölkerung auch an die neuen Bedingungen anpassen, indem sie Pflanzen wie Erdnüsse, Oliven oder Kiwis anbaut, die auch auf sandigen Böden wachsen.

Oft müssen wir dabei gegen tief sitzende Überzeugungen ankämpfen. Immer höhere Erträge mit immer mehr Pestizideinsatz zu erzielen, funktioniert nur für eine begrenzte Zeit. Von einer nachhaltigeren Bewirtschaftung profitieren alle – nicht sofort, aber auf lange Sicht.

Interview von Gundula Haage