Zusammenleben | Deutschland

„Vor dem Tod sehnt man sich nach der Heimat“

Der Hospizdienst Dong Ban Ja begleitet Sterbende und Trauernde – und achtet neben physischen Bedürfnissen auch auf soziale und kulturelle Fragen. Ein Gespräch
Eine Frau von hinten sitzt im Rollstuhl. Sie hat graue Haare. Ihr Kopf wird von einer Kopfstütze gehalten. Ihr gegenüber steht eine asiatische Frau mittleren Alters. Sie beugt sich zur Frau im Rollstuhl, lächelt ihr zu und hält ihre beiden Hände.

Eine Mitarbeiterin von Dong Ban Ja betreut eine Patientin: Getragen wird das Projekt vom Humanistischen Verband Berlin-Brandenburg

Herr Bhusal, mit dem Hospizdienst Dong Ban Ja bieten Sie „kultursensible“ Betreuung für Sterbende an. Was bedeutet das?
Wie bei jedem anderen Hospizdienst geht es bei uns darum, schwerkranke Menschen und ihre Angehörigen zu unterstützen. Besonders ist, dass wir ihren kulturellen Hintergrund dabei mitdenken. Mit welcher Sprache erreicht man einen Patienten am besten? Welche Rituale gibt es in seiner Community? Das deutsche Gesundheitssystem spult hier oft nur das Standardprogramm ab.

Woher kam die Idee für das Projekt?
Der erste Anstoß kam von einer koreanischen Krankenschwester, die in Deutschland arbeitete. Sie merkte damals, wie sich Menschen aus ihrer Community am Ende ihres Lebens nach etwas Heimat sehnten. Daher übrigens auch der koreanische Name „Dong Ban Ja“, der auf Deutsch „Menschen begleiten“ bedeutet.

Was macht Dong Ban Ja anders?
Bei uns arbeiten über 140 Sterbe- und Trauerbegleiter mit ganz verschiedenen Kultur- und Sprachkenntnissen. Manche sind in Afghanistan, Pakistan oder Indien geboren, andere in Vietnam oder Südkorea. Wenn also ein Krankenhaus bei mir anruft und sagt: „Wir haben hier einen Patienten aus Ostindien“, dann kann ich meist weiterhelfen.

„Gerade kurz vor dem Tod sehnt man sich nach einem Stück Heimat. Das versuchen wir zu bieten“

Ist die Sprache der wichtigste Faktor bei der Betreuung?
Ja, das merkt man bei der Arbeit immer wieder. Wir haben zum Beispiel einmal einen vietnamesischen Patienten betreut, der schon wie tot aussah, als wir an sein Bett kamen. Doch als meine Kollegin ihn mit einem „Xin chào“ begrüßte, öffnete er plötzlich die Augen, setzte sich auf und strahlte so eine Kraft aus, dass ich Gänsehaut bekam. Eine Suppe, an die sich jemand aus seiner Kindheit erinnert, oder ein Musikalbum können aber ganz ähnliche Effekte haben. Gerade kurz vor dem Tod sehnt man sich nach einem Stück Heimat. Das versuchen wir zu bieten.

Wie gehen Sie selbst damit um, Menschen am Ende ihres Lebens so nah zu sein?
Mittlerweile habe ich mich daran gewöhnt. Vielleicht ist das aber auch genetisch (lacht). Als ich noch in Kathmandu gewohnt habe, bin ich abends oft zu dem Hindu-Tempel Pashupatinath gegangen und habe aus der Ferne zugesehen, wie dort Leichen verbrannt wurden. Ein Menschenkörper wurde in den Ofen geschoben – und Asche kam heraus und wurde in den Fluss geschüttet. In Nepal ist der Tod kein Tabu. Er gehört einfach zum Leben dazu.

Das Interview führte Kai Schnier