Pressefreiheit | Kuba

Bedroht, verhört, gekündigt

In Kuba wird die Luft für Medienschaffende immer dünner. Der letzte Ausweg: das Internet – oder das Exil

Das Bild zeigt den Blick über die Schulter eines Mannes. Er trägt ein ärmelloses Hemd sowie eine zerrissene Jeans und raucht eine Zigarre. Er sitzt scheinbar in einem Hauseingang an einer Straße. Über seine Schulter sehen wir in eine Zeitung, die er gerade liest.

Ein Mann liest die Granma, eine Tageszeitung der kommunistischen Partei Kubas

Im August 2022 wurden sechs Journalisten und Journalistinnen des kubanischen Online-Nachrichtenmagazins „El Toque“ an der Ausreise aus Kuba gehindert.

Sie waren auf dem Weg nach Argentinien zur sogenannten Media Party, einer der wichtigsten Medienkonferenzen Lateinamerikas. Als Reaktion auf den Vorfall erklärten einige Reporter der Webseite in offiziellen und in Sozialen Medien, dass sie sich von El-Toque zurückziehen würden.

„Ich darf das Land erst verlassen, wenn ich bestimmte, von der Staatssicherheit geforderte Bedingungen erfülle und mich unter anderem verpflichte, keine Beiträge mehr für diese Plattform zu schreiben“, postete etwa José Leandro Garbey auf Facebook.

„Die Regierung dämonisiert die Arbeit freier Journalistinnen und Journalisten permanent“

Schikanen und Drohungen gegen unabhängige Journalisten sind nichts Ungewöhnliches für das kommunistische Kuba, haben aber in den vergangenen drei oder vier Jahren einen neuen Höhepunkt erreicht.

Die Regierung dämonisiert die Arbeit freier Journalistinnen und Journalisten permanent und bezeichnet diese als Söldner oder als unpatriotisch. „Ich bin nicht der Feind! Ich hintergehe niemanden! Ich habe nur versucht, journalistisch zu arbeiten“, erklärte deshalb Meilin Puertas Borrero, die ebenfalls mit einem Reiseverbot belegt wurde.

Nach der 2019 verabschiedeten Verfassung, die mit einer Gesetzesreform einherging, sind die „grundlegenden“ Massenmedien sozialistisches Eigentum. Sie sind also im Besitz des Volkes beziehungsweise im Besitz von politischen Organisationen.

Dementsprechend stehen alle zugelassenen Medien in Kuba – mit Ausnahme der akkreditierten ausländischen Nachrichtenagenturen – unter staatlicher Kontrolle.

Im Umkehrschluss bedeutet das auch, dass alle Journalistinnen und Journalisten, die nicht bei diesen Medien angestellt sind, in einem rechtlichen Niemandsland zurückbleiben.

„Anstatt Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen, kriminalisiert das System sie also systematisch“

Sie sind in puncto Arbeitsrecht schutzlos, weil sie keinen Arbeitsvertrag haben, und profitieren weder von Sozialleistungen wie bezahltem Urlaub und Mutterschutz noch von anderen staatlichen Leistungen.

Mittlerweile werden selbstständige Medienschaffende durch neue Gesetze sogar aktiv verfolgt. So führt ein neuer Paragraf den Journalismus heute explizit in der Liste verbotener „selbstständiger“ Tätigkeiten auf.

Anstatt Journalistinnen und Journalisten zu unterstützen, kriminalisiert das System sie also systematisch. Nicht umsonst sieht eine erst kürzlich verabschiedete Strafrechtsreform Gefängnis- und Geldstrafen für all diejenigen vor, die Gelder aus dem Ausland erhalten. Auf unabhängige Medienschaffende und Aktivisten trifft das natürlich besonders häufig zu.

Ihre Lage wird so nur noch weiter verschärft – und auch das ohnehin schon angespannte Verhältnis zu den USA wird weiter belastet, kommen aus den Staaten doch viele Zuschüsse von gemeinnützigen Organisationen, wie etwa dem National Endowment for Democracy.

„Mittlerweile haben sich jedoch auch in Kuba neue Kanäle jenseits der staatlichen Kontrolle entwickelt“

Weiter unter Druck gesetzt werden Medienschaffende derweil mit Repressalien wie Überwachung, Verhören und der Beschlagnahmung oder der zeitweiligen Einbehaltung ihrer Ausrüstung.

Die Schwierigkeiten, mit denen der kubanische Journalismus heute zu kämpfen hat, hängen zum Teil mit einer Gesetzeslücke zusammen, die bereits seit sechs Jahrzehnten besteht.

Denn „die Ausübung der Meinungs- und Pressefreiheit ist gesetzlich nur durch die Verfassung geregelt und ihr Schutz basiert auf Gesetzen, die im Strafrecht verankert sind“, erklärt der Jurist Michel Fernández.

Mittlerweile haben sich jedoch auch in Kuba, wo Massenmedien sich seit 1976 laut Artikel 53 der Verfassung niemals in Privatbesitz befinden dürfen, neue Kanäle jenseits der staatlichen Kontrolle entwickelt.

„Erst seit etwa 2015 gibt es in einigen kubanischen Städten öffentliche WLAN-Hotspots“

Es sind Institutionen entstanden, die von selbstständig arbeitenden Journalisten, Designerinnen, Programmierern und Fotografinnen betrieben werden.

Mit ihren Inhalten und Themen gehen diese Magazine und Websites auf Abstand zu den staatsnahen Medien, stellen vielfältige Themen vor und durchbrechen die homogene Berichterstattung, die man in den staatlichen Zeitungen und Nachrichtensendungen findet.

Diese Entwicklung hat auch mit dem besseren Zugang zu digitaler Technologie und zum Internet zu tun. Erst seit etwa 2015 gibt es in einigen kubanischen Städten öffentliche WLAN-Hotspots – und der mobile Internetzugang wurde erst schrittweise im Dezember 2018 eingeführt.

Junge Journalistinnen und Designer, die nach beruflicher Erfüllung, besseren Verdienstmöglichkeiten und einem Raum für Kreativität streben, den es in den Staatsmedien nicht gibt, haben diese Möglichkeiten für sich genutzt.

„In mehreren Fällen erhielten Reporter die ausdrückliche Anweisung, keine Beiträge mehr für andere Kanäle zu produzieren“ 

Anfangs fuhren viele von ihnen noch zweigleisig und behielten ihre sicheren Jobs bei den staatsnahen Medien. Dies führte jedoch immer wieder zu Konflikten mit Kollegen und Vorgesetzten.

In mehreren Fällen erhielten Reporter die ausdrückliche Anweisung, keine Beiträge mehr für andere Kanäle zu produzieren. Mit dem steigenden Druck wurde der berufliche Spagat deshalb mit der Zeit unhaltbar, und viele Reporterinnen verloren ihren Job.

Ein großer Teil dieser Journalisten arbeitet nun vollumfänglich für die „neuen“ Medien. Cossette Celecia vom Zentrum für Interdisziplinäre Studien an der Nationalen Autonomen Universität (UNAM) in Mexiko-Stadt betont deshalb, dass es „innerhalb der Belegschaft der neuen Medien zwar ein breites Spektrum gibt, angefangen von denen, die sich als Regimegegner verstehen [...], bis hin zu jenen, die sich von Aktivismus und politischer Zugehörigkeit distanzieren [...]; ein gemeinsames Merkmal ist jedoch die Ausübung eines Journalismus, der sich kritisch mit der Realität des Landes auseinandersetzt.

Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass einige freiberufliche Journalistinnen unter einem Pseudonym veröffentlichen

“Zudem habe die zunehmende staatliche Kritik an unabhängiger Berichterstattung mit der Zeit zu einer Radikalisierung journalistischer Positionen geführt. Angesichts erschreckender Berichte über Verhöre, Drohungen gegenüber Familienmitgliedern und „Sondersendungen“ zur Hauptsendezeit, in denen Medien wie „El Toque“, „Periodismo de Barrio“ und „La Joven Cuba“ öffentlich diskreditiert werden, ist das kein Wunder.

Vor diesem Hintergrund überrascht es auch nicht, dass einige freiberufliche Journalistinnen ihre Arbeit mittlerweile unter einem Pseudonym veröffentlichen, um möglichen Repressalien zu entgehen, oder gar emigrieren, um aus dem Exil über die Lage im Land zu berichten.

Für die Experten des  US-amerikanischen International Center for Journalists (ICFJ)  gleicht sich die kubanische Situation damit immer mehr den Umständen in autoritären Staaten wie El Salvador, Nicaragua und Venezuela an.

„Wir sind am Ende unserer Kräfte. In Kuba gibt es immer weniger freie Journalisten“, twitterte González Vivero, Redakteur des Onlinemagazins „Tremenda Nota“, vor Kurzem. Damit brachte er die Situation auf den Punkt.

Aus dem Englischen von Claudia Kotte