Das Mädchen hieß Narcisa und blühte inmitten der Blumen auf dem Hof. Ich sah sie jedes Mal, wenn sie hinausging, zwischen Rosen, Dahlien und Lilien aufgehen. Die Straße wurde von Bäumen bewacht und von Düften betört. Mächtige Linden streckten ihre Wurzeln unter dem Asphalt des Bürgersteigs hervor und lockten die Unaufmerksamen in ihre Falle. Ich war noch nie in Narcisas Haus gewesen, hatte aber schon oft mit offenen Augen von einem Angriff geträumt – als Ritter gerüstet, sie schüchtern wartend hinter dem Fenster im ersten Stock. Zwischen uns – als Despot und Drache – ihr Vater mit messerscharfem Lächeln, den Körper herausfordernd nach vorn gebeugt. Nachdem ich den grausamen Wächter besiegt hatte, erklomm ich die schneckenförmige Treppe.
Ich ergriff Narcisas Hand, wir stoben aus dem mit Blumenfröhlichkeit angesteckten Haus und hielten erst auf den Treppen des Klosters Caşin. Nicht weit von uns prangte der Triumphbogen am Rande des Herăstrău-Parks in Bukarests schickem Norden. So drückend er an den Krieg erinnerte, so diskret murmelte das Kloster vom Frieden. Im Zweiten Weltkrieg hatten Nonnen hier Kinder versorgt. Die Eingangssäulen, gewunden wie das Schicksal selbst, wachten über unser Zusammenkommen. Wir wandten unsere Gesichter einander zu, als gehörten wir ins Happy End eines Films.
Seitdem sind 35 Jahre vergangen. Das Kloster ist immer noch dort, der Hüter eines Berges von Träumen. Die Kuppel ist mittlerweile grün, als hätten die Bäume ringsum ihr einen Teil ihres Blattwerks geliehen. An den Säulen lehnen Liebende der Nacht. Vor dem Kloster ist inzwischen ein Rugbyfeld aufgetaucht – eine Frechheit, die sich die Gegenwart gegenüber der Vergangenheit erlaubt. Immer wenn ich dort vorbeigehe, fühle ich meine Wangen glühen und mir scheint, als rufe mich Narcisa, versteckt in einer duftenden Lindenkrone.
Aus dem Rumänischen von Adina Mohr