Festival | Türkei

„Die Kinder haben mehr Fantasie als wir“

Zirkus, Theater und Performances für Kinder – und das mitten im Krisengebiet? Das Flying Carpet Festival an der türkisch-syrischen Grenze macht es möglich

Wir blicken aus dem Publikum auf eine improvisierte Bühne vor einem aufgehängten weißen Tuch. Davor verneigt sich das Ensemble von Künstlern. Davon tragen einige Kostüme, einige Musiker halten ihre Instrumente. Im Publikum vor uns sitzen Kinder und Erwachsene auf Plastikstühlen und klatschen. Es ist Nacht, aber die Bühne ist hell beleuchtet.

Eine Aufführung der iranischen Geschichte „Der kleine schwarze Fisch“ in dem türkischen Dorf Karakuyu Köyü

Herr Aminikia, das sogenannte Flying Carpet Festival in der türkischen Region Mardin nahe der syrischen Grenze ist für geflüchtete Kinder gedacht. Wie kamen Sie auf die Idee?
Pinar Demiral, die Gründerin der Sirkhane Social Circus School, nahm mich mit nach Mardin, wo die Organisation Musikworkshops für Kinder anbietet. Dort sah ich Kinder auf der Straße spielen, während Panzer an ihnen vorbeirollten. Ich begann, Lieder mit ihnen aufzunehmen – und erkannte dabei, wie wichtig es gerade hier ist, Raum für Musik und Kunst zu schaffen. Also kündigte ich meinen Lehrauftrag an der Academy of Art University in San Francisco und gründete 2018 mit Sirkhane das Festival.

„Die Kinder freuen sich immer auf die internationalen Gäste. Sie brauchen sowohl Beständigkeit als auch Schönheit“

Was ist das für ein Festival?
Es ist ein multidisziplinäres Festival der darstellenden Künste mit einem starken Fokus auf Storytelling. Hochkarätige Künstler aus aller Welt, besonders aus dem Libanon, dem Iran oder Syrien, aber auch aus den USA und Europa stellen dort zusammen eine Performance für Kinder auf die Beine: 2022 war es etwa die persische Geschichte „Der kleine schwarze Fisch“. Wir bringen unsere Inszenierungen in sehr abgelegene Gebiete und wollen den Kindern eine emotionale Achterbahnfahrt bieten. Sie sollen lachen, sich freuen und sich erschrecken.

Wie kommt das Programm bei den Kindern an?
Sirkhane bietet das ganze Jahr über Aktivitäten an. Das Festival selbst ist für die meisten jedoch der Höhepunkt: Die Kinder freuen sich immer schon auf die internationalen Gäste. Sie brauchen sowohl Beständigkeit als auch Schönheit. Die Kulturszene engagiert sich nicht genug für Geflüchtete und viele humanitäre Organisationen verstehen nicht, wie wichtig Kunst und Kultur besonders für Kinder sind.
 

„Die Kulturszene engagiert sich nicht genug für Geflüchtete und humanitäre Organisationen verstehen nicht, wie wichtig Kunst und Kultur für Kinder sind“


Warum wählten Sie den Namen Flying Carpet Festival?
Der Titel steht für die Idee, dass wir die Kunst zu den Kindern bringen. Er ist aber auch selbstironisch gedacht: Wir kommen aus dem „Orient“ und wollen westliche Geldgeber ansprechen. Die kennen Dichter wie Rumi oder Hafis eher nicht, aber mit dem „fliegenden Teppich“ können sie etwas anfangen.

Wie inspirieren die Kinder Sie?
Als Erwachsene denken wir oft, dass wir die Dinge für Kinder vereinfachen müssen. Dabei haben Kinder meist viel mehr Fantasie als wir und sind oft trotz schlimmer Erlebnisse die fröhlichsten Geschöpfe. Damit haben sie vielleicht eine viel stärkere Botschaft für uns als wir für sie.

Das Interview führte Atifa Qazi